Bürgermeister ohne Wahl

Wahl bedeutet (aus)wählen, nämlich zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Ist es also überhaupt eine demokratische Wahl, wenn man den Kandidaten nicht ablehnen kann? Hier ein aktuelles Beispiel: Am 25.5.2025 fand in Barleben die Bürgermeisterwahl statt. Frank Nase wurde mit 100 % der Wählerstimmen zum neuen Bürgermeister (BM) gewählt. – So kann man es auf der Internetseite der Gemeinde lesen (s. Abb.). Genauso richtig wäre aber: Nur 18,7 % der Wähler gaben dem BM ihre Stimme. Letzteres hört sich jedoch nicht so gut an.

Wieso sind beide Aussagen richtig? Es liegt am Wahlsystem in Sachsen-Anhalt, das 1994 vom Landtag (CDU/FDP Koalition) in der Kommunalwahlordnung festgeschrieben wurde. Die Wähler haben die Möglichkeit, dem einzigen Bewerber ihre Stimme zu geben oder den Stimmzettel unausgefüllt bzw. ungültig abzugeben. Herr Nase war der einzige Kandidat und damit wäre auch nur (s)eine Stimme ausreichend gewesen, ihn mit 100 % im Amt zu bestätigen. Selbst wenn 1000 andere Wähler den Namen durchgestrichen oder Nein auf den Wahlschein geschrieben hätten, diese Stimmen würden nicht berücksichtigt!

Ein solches Verfahren löste bei vielen Bürgern Stirnrunzeln aus. Mancheiner zweifelte an der Demokratie und andere sagten, ich kann ja gar nicht „wählen“, warum soll ich da noch hingehen, das ist doch eine Farce.

Ist das überall so? NEIN! In anderen Bundesländern (z.B. Hessen) gibt es für diesen Fall einen Wahlschein, auf dem Ja oder Nein anzukreuzen ist und nur bei mehr als 50 % Ja-Stimmen wäre ein Bürgermeister gewählt. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, muss die Wahlausschreibung wiederholt werden. Dann überlegen sich vielleicht noch weitere Bewerber, ob sie sich einer Wahl stellen, denn echte Demokratie lebt vom Mitmachen.

Vieles, so auch das, ließe sich ändern, wenn es dafür den politischen Willen gäbe. Im nächsten Jahr sind wieder Landtagswahlen…

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