Enteignung durch Beschluss ?

Im Rechtsstaat kann grundsätzlich jeder der Haus und Hof besitzt darauf vertrauen, dass man ihm das nicht einfach wegnehmen kann (1*). Die Hürden für eine Enteignung sind sehr hoch, hier müssen schon wichtige allgemeine Interessen, wie z.B. der Bau einer Autobahn oder Eisenbahnlinie vorhanden sein. Selbstverständlich muss der Staat dann einen entsprechenden Ausgleich anbieten und Entschädigung zahlen. Allerdings gibt es bei Änderungen im Flächennutzungs- oder Bebauungsplan auch einen Bestandsschutz für schon vorhandene, rechtmäßig errichtete bauliche Anlagen. Das heißt, der Eigentümer kann diese auch dann weiter erhalten und nutzen, wenn sie aufgrund der neuen Rechtslage an dieser Stelle nicht mehr errichtet werden dürften. Dies ist durch Rechtsprechung (2*) in das Baugesetzbuch eingeflossen (3*).

Nun zu einem aktuellen Fall in Barleben, bei dem das nicht mehr gelten soll. Dem Ortschaftsrat wurde er von der Verwaltung folgendermaßen vorgestellt: Familie G wohnt (rechtmäßig) im Landschaftsschutzgebiet (Grundstücksgröße ca. 4 ha), möchte sich aber altershalber verändern. Familie S hat Grundstücke in der Nähe, kann diese aber nur bebauen, wenn Familie G ihnen zur Erschließung die Nutzung ihres Privatweges in der Rothenseer Str. gewährt.

 

Beide Familien stehen über einen Grundstückstausch in Verhandlung. Wenn Familie G ihr Haus-Grundstück verkauft, möchte die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausüben und das Wohnhaus abreißen. Eine Entsiegelung der Fläche soll einen wertvollen Biotopverbund gewährleisten, letzteres auch in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde. Überdies gäbe es dadurch die Möglichkeit, einen Wanderweg durch das Landschaftsschutzgebiet vom Adamsee zur Rothenseer Str. zu bauen. Eigentlich eine gute Sache – denkt man und stimmt dem dazu vorgestellten B-Planentwurf zu!

Nur sehen die Dinge in Wirklichkeit ganz anders aus. Die Familien G und S werden sich in der Grundstücks- angelegenheit nicht einig. Dadurch will Familie G ihr Haus-Grundstück auch nicht mehr verkaufen. Ungeachtet dessen hält jedoch die Gemeinde weiter an ihren Plänen fest und droht der Familie G mit Enteignung. Zu diesem Zweck wurde im Bebauungsplan Nr. 34 festgesetzt, dass der Übergang des Wohnhauses an die folgende Generation generell ausgeschlossen wird. Die Erben sollen gezwungen werden, das Haus dann selbst abzureißen (4*). Da das sicher sehr teuer ist, möge man doch gleich an die Gemeinde verkaufen! Auch damit Bürgermeister Keindorff nicht Willkür oder Eigennutz unterstellt wird (eines seiner eigenen, bebaubaren Grundstücke erhielte dadurch eine neue Zuwegung von der Rothenseer Str.), wurde dem Gemeinderat ein B-Planentwurf mit den genannten Absichten vorgelegt.

In der Diskussion dazu wurde deutlich, dass einige Gemeinderäte die Tragweite eines solchen Beschlusses überhaupt nicht verstanden. Um darüber aufzuklären, informierte unsere Fraktion (FWG/Piraten) und stellte den Antrag, dieses Enteignungsbegehren abzulehnen. Wir wollten auf Verhandlungen mit den Beteiligten setzen, bzw. das Vorkaufsrecht ausüben, wenn Familie G das Grundstück selbst verkaufen möchte (Antrag hier einsehen) Dieser Antrag wurde jedoch mehrheitlich (also ganz demokratisch) abgelehnt und die geplante Enteignung von folgenden Ratsmitgliedern befürwortet: Dorendorf, Säuberlich, Büchner (FDP); Lüder, Pape (SPD); Dürrmann (BBB), Fischer (Linke), Herrmann (UWG), Jassen u. Korn (CDU). Gegen eine Enteignung stimmten die Ratsmitglieder: Appenrodt, Brämer, Könitz, Müller, Pfeffer (FWG/Piraten); Ölze (CDU) und Rost.

Es gab 1 Enthaltung (Knust), abwesend waren die Ratsmitglieder Behrens, Hiller u. Keindorff.

            Zum Glück leben wir in einem Rechtsstaat. Familie G wird sicherlich Klagen (Gutachten einer renommierten Anwaltskanzlei liegt vor), die Gemeinde verliert den Prozess und der Steuerzahler trägt die Kosten. Außerdem kann auch der Landkreis noch eine entsprechende ablehnende Stellungnahme abgeben. Wir werden hierzu weiter berichten, auch deshalb, weil dann der neue Bürgermeister F. Nase heißt und den Ton in der Gemeindeverwaltung angibt.

Literatur:

1*. Grundgesetz Art. 14

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

*2  Gerichtsurteile

Ein durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz bewirkter Bestandsschutz liegt vor, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt bauaufsichtlich genehmigt wurde. Dies ist auch dann zu bejahen, wenn das Gebäude zwar tatsächlich genehmigt worden ist, jedoch bei rückschauender Beurteilung mit dem damaligen materiellen Recht nicht vereinbar war. (BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 B 116/97 – NVwZ-RR1998, 357; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 ).

3*  Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 3. Aufl., § 2, Rdn. 60

Das Rechtsinstitut des Bestandsschutzes ist aus dem Eigentumsschutz des
Art. 14 Abs. 1 S.1 GG, insbesondere durch die Rechtsprechung, entwickelt worden. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sichert dem Eigentümer unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes das durch die (rechtmäßige) Eigentumsausübung Geschaffene und verleiht einem rechtmäßig begründeten Bestand und seiner Nutzung Durchsetzungskraft auch gegenüber neuen, entgegenstehenden rechtlichen Anforderungen.

4* Textauszug aus der rechtlichen Stellungnahme des Ingenieurbüros Funke

 

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