Mein Kanzlergespräch
Bundeskanzler Olaf Scholz wollte am 25.8. 2022 in Magdeburg mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Eine Veranstaltung wie im brandenburgischen Neuruppin, bei der der Bundeskanzler angesichts des Pfeifkonzerts und der Sprechchöre von Gegendemonstranten kaum zu verstehen war, wollte man wohl, wie auch schon zuvor in Lübeck durch bessere Organisation vermeiden. Deshalb konnte man sich für diesen Dialog online bewerben, wobei 150 Personen ausgelost und in die Festung Mark eingeladen wurden. Vor der endgültigen Einladungsbestätigung mussten die Teilnehmer jedoch noch einen Personalfragebogen ausfüllen. Dass hierauf entsprechende Recherchen erfolgten, ist anzunehmen. Mehr als das, was der Kanzler so zu sagen hat und jeden Tag in den Medien zu verfolgen ist, interessierte mich als Teilnehmer jedoch das Prozedere. Wer wird ausgewählt, wer darf Fragen stellen, werden diese vorsortiert…? Hier ein Kurzbericht.
Die Stadt Richtung Elbbrücke verstopft, Nähe Festung Mark Großaufgebot an Polizei, Menschenansammlungen und Sprechchöre („Scholz muss weg“…und Ähnliches). Mehrfache Kontrolle von Einladung und Personalien: am Eingang Parkplatz, am Parkweg, vor dem Gebäudeeingang und mit Sicherheitskabine im Eingangsbereich. Danach gab es ein Umhängeschild mit Namen. Drinnen Kaffee, Kuchen und Getränke, kurzer Austausch mit anderen Teilnehmern, wie sie zu der Einladung kamen.
Es erfolgte Platzierung: Man wollte einen gemischten Eindruck vermitteln; Männer, Frauen, alle Altersgruppen, leere Stühle wurden weggestellt. Dann Einweisung durch die Moderatorin: Bitte Handys ausschalten, Klatschen, wenn der Kanzler kommt und ihn mit „Herr Bundeskanzler“ ansprechen, Namen und Wohnort nennen…Die Veranstaltung würde live übertragen und sei später in der Mediathek des Bundestages abrufbar (immer noch laute Sprechchöre von draußen). „Nur zur Probe, wollen wir mal üben… Wer hat den Fragen an den Bundeskanzler?“ Etwa zwei Drittel melden sich. „Wenn ich sage, z.B. der Herr da im… dann kommt das Mikrofon, nun Herr…was wollen sie denn fragen?“ Sehr subtil wurde hier ganz offensichtlich schon vorgefühlt, wer sich wie und zu welchem Thema artikuliert und viele dieser Personen wurden später auch als Fragende ausgewählt. Es gab aber auch Clevere, die sagten „das werde ich dann den Bundeskanzler schon fragen“, die Sache also durchschauten!
Der Kanzler kam, dann 90 min. Fragen und Antworten. Tenor: Es ist alles sehr schwierig, in der Koalition muss man auf die Anderen Rücksicht nehmen, wir werden Allen helfen (nur wie, wurde nicht gesagt, also das übliche)! Meine Frage war sinngemäß, warum Hundefutter mit 7 % Mehrwertsteuer belegt ist, aber Babynahrung mit 19 % und ob das etwas über die Wertigkeit der auf sie abzielenden Lebewesen zu tun hat. Antwort ehrlich: kein Mensch verstehe das Mehrwertsteuersystem, er auch nicht, aber als sie das mal ändern wollten, gab es so viele verschiedenen Wünsche, dass es zu Schluss so blieb wie bisher und so wird es wohl auch noch länger bleiben. Meine Vermutung: Die Lobby von Hunde- und Katzenhaltern ist größer als die, junger Eltern – für mich ein Politikum!
Nach der Veranstaltung gab es noch einen Fototermin, der Kanzler mir gegenüber schlagfertig, freundlich und nicht abgehoben. Der Abgang der Gäste zum Parkplatz, vorbei an der teils brüllenden Menge (Volksverräter etc…), die z.T. auch Videos machte war sehr unangenehm, Eskalationen angesichts der Polizei gab es aber nicht.
Fazit: Olaf Scholz ist m.E. niemand, der auf den Tisch haut und „basta“ sagt, sondern jemand, der sich freundlich lächelnd auch durch die unangenehmsten Situationen laviert. Ob das und die jetzt angekündigten neuen Entlastungspakete ausreichen, angekündigte Proteste für den Herbst zu verhindern. bleibt offen.