Millionen für Klageverfahren verbrannt
Der Barleber Gemeinderat beauftragte am 16.8.2022 (nicht öffentliche Sitzung) Bürgermeister F. Nase (CDU) erneut eine Anfechtungsklage gegen die Kreisumlage des LK Börde vorzunehmen, welcher dieser im Jahr 2022 auf 11.8 Mio. € festgesetzt hatte. Seit 2017 klagt Barleben nun jedes Jahr gegen die jeweiligen Bescheide. Wieviel Geld haben wir dadurch bis jetzt zurückbekommen? Keinen Euro, außer, dass Millionen (Steuermittel) für Anwalts- und Gerichtskosten ausgegeben wurden. Egal wer ein Verfahren (natürlich durch alle Instanzen) gewinnt, ob Landkreis oder Gemeinde, die Kosten trägt immer der Steuerzahler! Gut verdienen tun die Anwälte, deren Honorar sich nach dem Streitwert berechnet. Barleben wird vertreten von Rechtsanwalt Prof. Ulf Gundlach. Als ehemaliger Staatssekretär im Innenministerium, dort für Kommunales zuständig, später jedoch bei Minister Holger Stahlknecht in Ungnade gefallen, kennt er die Materie natürlich sehr gut (was zu denken gibt). Der Streitwert der 5 bisherigen Klagen liegt bei insgesamt ca. 40 Mio. €, für die nun neu eingereichte kommen noch einmal 11,8 Mio. € hinzu. Allein für letztere (alle Instanzen) liegen die Kosten bei ca. 1 Mio.€, knapp die Hälfte davon sind Anwaltskosten.
Zum Hintergrund: Landkreise verfügen (anders als Städte und Gemeinden) über keine größeren Steuereinnahmen. Sie sind jedoch z.B. für Schulen, Straßen, Radwege, Soziales und Jugendhilfe zuständig. Geld bekommen sie a) vom Land und b) von ihren kreisangehörigen Städten und Gemeinden (Kreisumlage). Vom Land werden ihnen zwar immer mehr Aufgaben, jedoch ohne ausreichende Landesfinanzierung zugewiesen. Daraufhin wird notgedrungen die Kreisumlage gesteigert, die dann oftmals den Haushalt der Betroffenen sprengt, so begann eine regelrechte Klagewelle. In der Landtagsdrucksache LSA 8/228 vom 5. 10. 2021 sind alle Städte und Gemeinden aufgeführt, die ihre Kreisumlagen anfechten. Spitzenreiter, ebenfalls mit 5 Klagen bis 2021, sind Hettstedt, Sangerhausen und Hecklingen. Wenn man bedenkt, dass Rechtsanwalt Gundlach einige dieser Kläger in gleicher Sache vertritt (z.B. Hecklingen, Eisleben u. Schönebeck), scheint das ein ganz lohnendes Geschäft.
Ein weiteres Problem: Die Umlagen werden nicht nach den aktuellen Steuereinnahmen berechnet, sondern 2 Jahre im Nachgang. Das führte in Barleben dazu, dass nach dem Steuereinbruch 2015 die Kreisumlage unerbittlich vom vorherigen Steueraufkommen berechnet und gefordert wurde. Steuern und Gebühren mussten exorbitant erhöht und ein Haushaltskonsolidierungskonzept aufgestellt werden. Damals waren die Einsprüche berechtigt, auch unsere Fraktion stimmte ihnen zu. Außerdem hoffte man auf eine juristische Entscheidung, die eine politische Veränderung der völlig unbefriedigenden Sachlage hervorrufen könnte.
Als uns aber für 2018 höchstrichterlich 6 Mio. € zugesprochen wurden, hat der Landtag schnell das Kommunalverfassungsgesetz geändert. Jetzt kann der Kreistag „falsche“ Bescheide rückwirkend heilen (ohne Verfristung). Dies tat er natürlich und die Klage gegen diesen Bescheid beginnt von Neuem… mit neuen Kosten (für den Steuerzahler)! Die Unfähigkeit der Landespolitik, hier für eine vernünftige Lösung zu sorgen, ist ein Skandal.
Barleben ist zurzeit eine der wenigen Gemeinden in Sachsen-Anhalt, die einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. Die Kreisumlage für das Jahr 2022 war darin mit 12 Mio. € fest eingeplant. Trotzdem konnten noch umfangreiche freiwillige Ausgaben, z.B. großzügige Vereinsförderungen realisiert werden. Es besteht also finanziell keine Not. Unsere Fraktion war, auch aufgrund des politisch-juristischen Possenspiels und der riesigen Steuergeldverschwendung, gegen eine erneute Klage, konnte sich aber nicht durchsetzen. Das Ganze scheint uns egoistisch und unsolidarisch gegenüber armen und verschuldeten Gemeinden. Außerdem, wer annimmt, der Landkreis würde Barleben letztlich 52 Mio.€ zurücküberweise, wird wohl eher dem Weihnachtsmann begegnen.