Urteil mit Anstoßwirkung?

ImNamenDesVolkes

Das Verwaltungsgericht Magdeburg verkündete sein Urteil:

Herr Lüder kann wegen seiner Tätigkeit als „Mann für alle Fälle“ in der Gemeindeverwaltung weiterhin im Gemeinderat sein (Urteil hier ansehen).

Vor der Urteilsverkündigung erfolgte am 11.02.2014 eine öffentliche Gerichtsverhandlung, zu welcher der Gemeinderat als Beklagter eine Vorladung erhielt. Die Gemeinderäte wurden über diese stattfindende Verhandlung durch den stellvertretenden Gemeinderatsvorsitzenden Herrn Knust (FDP) nicht informiert. Zur Gerichtsverhandlung waren nur Herr Lüder, Herr Fricke (Justiziar der Gemeinde) und Herr Knust anwesend.

Dass kein anderes Gemeinderatsmitglied, wegen der fehlenden Information die Chance hatte, an dieser öffentlichen Gerichtsverhandlung teilzunehmen ist politisch unhygienisch und widerspricht jeder demokratischen Auffassung von Transparenz.

Dass der Richter die Beurteilung der Tätigkeit von Herrn Lüder als Techniker für die millionenschweren Sporthallen (zwei Dreifeldhallen Barleben und eine Zweifeldhalle in Ebendorf) lediglich als „Mann für alle Fälle“ – wie von Herrn Lüder vorgetragen – teilte, nehmen wir zur Kenntnis. Die Mehrheit des Gemeinderates (aus CDU, Linke und FW) sah das allerdings aus Kenntnis und Sichtweise vor Ort in zwei unterschiedlichen Abstimmungen anders.

Ein Gemeinderat kontrolliert, beauftragt und berät im Allgemeinen die Verwaltung – somit sollte ein Mitarbeiter der Verwaltung nicht zugleich dem Gremium angehören, welches auf die Verwaltung (also auch ihn) Einfluss nimmt. Eine persönliche Bindung kann die Unabhängigkeit der Entscheidung beeinflussen.

Im Klartext: Herr Keindorff ist als Bürgermeister der Vorgesetzte des Mitarbeiters Herrn Lüder, welcher mit seiner beruflichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Als ehrenamtliches Mitglied des Gemeinderates ist Herr Lüder jedoch auch der Vorgesetzte von Herrn Keindorff. Hiermit liegt durch das Zusammenwirken von Beruf und Mandat ein Interessenkonflikt vor.

Wenn es in Sachsen-Anhalt aufgrund eines Gesetzes möglich ist, die Kontrollfunktion des Gemeinderates auszuhebeln, in dem jemand gleichzeitig Mitarbeiter einer Gemeinde und Ratsmitglied sein kann, sollte das Gesetz geändert werden.

Richter setzen geltendes Recht nur um. Ihnen geht es im Regelfalle nicht darum, ob dieses sinnvoll ist oder nicht. Vielleicht gibt dieses Urteil, einen Anstoß die Unschärfe in unserer Gemeindeordnung bei seiner anstehenden Novellierung zu ändern.

Wir brauchen eindeutige Gesetze, so wie in anderen Bundesländern!

In den Gemeindeordnungen der Länder wie Baden Württemberg (§ 29), Freistaat Sachsen (§ 32), Hessen (§ 37) und Freistaat Thüringen (§ 23) bestehen klare Regelungen. Hier dürften weder Herr Lüder noch Herr Thorun dem Gemeinderat angehören und in Baden Württemberg dürfte auch Frau Keindorff (als Tochter des Bürgermeisters) nicht Ratsmitglied sein.

Hinweis: Die Gerichtskosten, welche die Gemeinde durch das Urteil zu tragen hat, liegen nach Aussage des Justiziars Herrn Fricke bei max. 800,00 € (bei dem im Urteil festgesetzten Streitwert von 10.000,-).

Ramona Müller
für die FW im Gemeinderat Barleben

3 comments

  1. hwn

    Das Rechtsprechung in Deutschland vom Standort abhängt, ist die Spätfolge des 2ten Weltkrieges. Nach dem Krieg wurde die Bundesrepublik absichtlich so konstruiert, das es nicht wieder einer zentralistischen Macht kommen kann. Daran kann nur eine Verfassungsänderung oder die freiwillige Abgabe von Befugnissen durch die Bundesländer selbst was ändern.

    Das Herr Knust seiner Aufgabe als Vorsitzender des Gemeinderates nicht gerecht wird, liegt sicher nicht an einer undemokratischen Haltung. Ich würde es einfach nur als Unfähigkeit bewerten.
    Daran kann jeder in wenigen Wochen was verändern, indem man seine Stimme anderen Kandidaten gibt – was ich persönlich dringend empfehlen kann.

  2. Holger

    In wie viel Fällen wird an Verwaltungsgerichten in Sachsen-Anhalt Recht gesprochen, was mit dem ethischen Rechtsempfinden nicht identisch ist ?
    Ein Verfahren, in welchem der Kläger (Gemeinderatsmitglied R. Lüder) nahezu identisch mit dem Beklagten (Gemeinderat, vertreten durch dessen Vorsitzenden/Vertreter) ist, kann doch irgendwie nicht gehen. Dazu noch ein wenig Unterstützung durch Juristen der Verwaltung und es steht nach 15 Minuten 4:0.
    Wer sollte wohl gegen dieses Urteil in Berufung gehen, Herr Lüder oder Herr Knust ?
    Mit dem Persilschein vom Verwaltungsgericht kann Herr Lüder jedenfalls im Wahlkampf wie ein Saubermann wedeln. Ähnlich wie unser Dorfschönling mit der Entscheidung der Kommunalaufsicht zum Mittellandkurier.
    Recht und Unrecht muss mit dem ethischen Rechtsempfinden im Einklang sein, muss verständlich und überzeugend sein, damit es akzeptiert wird.
    Sonst droht die Gefahr, dass sich Menschen durch die Obrigkeit gedemütigt sehen.
    Sie sehen sich dann nicht mehr als Teil der Gesellschaft.
    Soll es dazu kommen ?

  3. Michael Lange

    Beispiele für die Kollision von Amt und Entscheidungsfreiheit gibt es in Barleben ja zur Genüge, wie z. B. die „Zuordnung“ vom fraktionsgebundenen Ratsmitglied Thorun (vormals FDP) zum zeitweilig fraktionslosen Ratsmitglied Lüder (jetzt beide SPD). Wenn es in Sachsen-Anhalt aufgrund eines Gesetzes möglich ist, die Kontrollfunktion des Gemeinderates auszuhebeln, in dem jemand gleichzeitig Mitarbeiter einer Gemeinde und Ratsmitglied sein kann, sollte das Gesetz geändert werden.
    Auch ist es in anderen Bundesländern strikt untersagt, dass nahe Familienmitglieder des Bürgermeisters dem Gemeinderat angehören. Macht auch Sinn…..nur nicht in Barleben, wie man an der Tochter von Herrn Keindorff sieht.

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