Barleben, Schlusslicht beim kommunalen Breitbandausbau?
Bereits ab September 2018 wurden die Bürger in Barleben gebeten, ihre Bereitschaft für den Anschluss an ein geplantes kommunales Glasfasernetz zu erklären. Fördermittel des Bundes stehen bereit und das Telekommunikationsunternehmen DNS-Net erhielt nach Ausschreibung den Zuschlag zu dessen Ausbau. Voraussetzung für die Umsetzung des Projekts ist ein wirtschaftlicher Betrieb. Dieser setzt einen hoher Anschlussgrad, also möglichst viele dazu abgeschlossenen Vorverträge voraus. In manchen Gebieten der Gemeinde war die Bereitschaft zum Anschluss recht hoch, in anderen noch nicht ausreichend. Aus diesem Grund wurden nach Rücksprache mit dem Fördermittelgeber verschiedene Kleingebiete (Cluster) gebildet, in denen ein Ausbau wirtschaftlich schien.
Danach hörte man monatelang nichts mehr von dem Projekt (s. hier Beitrag vom 24. 10. 2019). Ungeduld und Unverständnis der Bürger stiegen seitdem kontinuierlich an, da andere Unternehmen gleichzeitig sogar im Mitteilungsblatt der Gemeinde (Mittellandkurier) für einen privaten Anschluss warben. „Was ist mit dem versprochenen kommunalen Netz, für das ich einen Vorvertrag abgeschlossen habe?“ fragen sich viele Interessenten zu Recht. In der benachbarten Niederen Börde wird kräftig gebaut, das kommunale Netz soll hier bereits 2021 fertig sein. Auch in anderen umliegenden Gemeinden geht es vorwärts.
Einige Hintergrundinformationen
In der zurückliegenden Zeit wurden mehrere Sachverhalte bekannt, die etwas Licht in das verwirrende Geschehen brachten. Ein wesentlicher Punkt ist die Einteilung des Gemeindegebietes in sogenannten „weiße und schwarze Flecken“. Was Ende 2018 den Bürgern und Gemeinderäten irgendwie vorenthalten wurde ist, dass die Fläche der Gemeinde aufgeteilt wurde in Gebiete, die einen angeblich ausreichend schnellen Internetzugang ausweisen (mehr als 30 Mbit) – die sogenannten schwarzen Flecken und in solche, die schlechter versorgt sind – die sogenannten weißen Flecken (auf unserer Karte grün dargestellt). Für den Ausbau der weißen Flecken gibt es Fördermittel, diese Gebiete sollten vorrangig durch einen kommunalen Netzausbau erschlossen werden. Hatten sich Bürger 2018/19 eifrig bemüht, in ihrem Umfeld für einen hohen Anschlussgrad zu werben, wie z.B. im Meitzendorfer Wohngebiet „Am Anger“, stellte sich danach heraus, dass dieses Gebiet zu den schwarzen Flecken, mit einem angeblich ausreichend schnellen Internetanschluss gehört. Das konnten die Anwohner aufgrund unzureichender Übertragungsraten jedoch nicht nachvollziehen, die Planung ging hier an der Realität vorbei.
Nach mehreren Hinweisen gibt es aktuell Bemühungen, eine „Umfärbung“ vorzunehmen. In Ebendorf sind die schwarzen Flecken besonders groß. Auch aufgrund der Zeitverzögerung haben hier schon mehrere Telekommunikationsunternehmen einen privaten Ausbau realisiert. Leider kann die Gemeinde dies mit Verweis auf ihre Absicht, ein kommunales Netz zu bauen, nicht untersagen. Sowohl in den schwarzen als auch in den weißen Flecken hat jeder Anbieter dazu das Recht. Damit wird klar, dass der Zeitfaktor und die Konkurrenz zwischen den Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen. Jede Verzögerung des kommunalen Netzausbaus ermöglicht die Versorgung über andere Unternehmen und zerstört somit die Bemühungen der großen Mehrheit der Gemeinde- und Ortschaftsräte zum Aufbau eines flächendeckenden kommunalen Netzes. Wenn zügig an der Planung gearbeitet worden wäre, hätte man mit der Firma DNS-Net ein einheitliches Glasfasernetz aufbauen können. Die Aktivitäten unseres Bürgermeisters F. Nase (CDU) sich für ein solches kommunales Netz stark zu machen, ließen jedoch von Anfang an sehr zu wünschen übrig.
Zum aktuellen Sachstand:
Um den Ausbau des gemeindeeigenen Netzes endlich zu beschleunigen, wurde vom Gemeinderat (Dienstherr des Bürgermeisters) eine Arbeitsgruppe Breitband gegründet. In dieser werden die jeweils notwendigen Schritte mit der Verwaltung, dem Planungsbüro, der Arbeitsgemeinschaft des Landkreises (ARGE) und der Firma DNS-Net koordiniert. Die Planung einer ersten Ausbaustufe (Meitzendorf, Barleben Nord und Mitte) wurden, am 25.6.2020, in der Arbeitsgruppe vorgestellt. Alle erforderlichen Unterlagen liegen vor. Es wurde vereinbart, umgehend den erforderlichen Beschluss im Gemeinderat zu fassen. Erst mit einem Monat Verzögerung, nämlich am 28.7. ist jetzt eine Sitzung anberaumt worden. In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass der Bürgermeister (trotz gegenteiliger Beteuerungen) auch aktiv den beschlossenen flächendeckenden kommunalen Netzausbau verhindert. Er verhandelte mit 10 weiteren Telekommunikationsunternehmen und hält den dadurch
verfügbaren Mix aus Glasfaser, Funk und Vectoring (Kupferkabel mit geringer Leistung) als die kostenoptimale Variante (s. Volksstimme, Wolmirstedt vom 04.07.2020). Genau diese Zersplitterung – wer Pech hat, wird auch in Zukunft unterversorgt bleiben – wollte der Gemeinderat mit dem Aufbau eines kommunalen Netzes nicht!
Wie wichtig ein schneller Internetzugang ist, hat sich in Zeiten der Corona Krise gezeigt. Homeoffice mittels Internet – davon können viele in Barleben nur träumen. Wer die Verhältnisse in anderen Ländern kennt weiß, dass Deutschland diesbezüglich ein regelrechtes „Entwicklungsland“ mit Sachsen-Anhalt als Vorletztem im Ranking der Bundesländer ist! In Ländern wie Norwegen oder Litauen gehören Übertragungsraten im Gigabyte-Bereich zum Standard. Soll Barleben eines der Schlusslichter mit Folgen für Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung werden?
Eine Dokumentation der Versäumnisse in Deutschland und Erfolge anderer Länder finden Sie in der ARD Mediathek.